Auf der Suche nach Antworten, wie Kirche und DJK-Sportvereine zukünftig zusammenarbeiten sollen auf dem Feld des Glaubens, liefert das folgende Interview mit den Pfarrern Sebastian Wild, Andreas Erndl und Thomas Steinberger spannende Ideen und Lösungsansätze.
Passau. Wenn ich mehr über die Verbindung von Sport und Glauben und die Zukunft der Sportvereinspastoral erfahren möchte, solle ich mich an einen jungen und sportlichen Priester wenden, rät mir ein DJK-Kollege aus Augsburg. Denn der sei sowohl kundig in der Arena der Kirche als auch versiert in der Arena des Sports. Ich halte also Ausschau nach einem “Sportpfarrer” in unserem Bistum und werde durch Hörensagen schnell fündig: Sebastian Wild (38) ist Pfarrer im Pfarrverband Aldersbach und aktiver Fußballer der DJK Pörndorf. Im selben Verein ist er Geistlicher Beirat — er kümmert sich also, einfach gesprochen, um die religiösen Vereinsangelegenheiten. Ein kurzer Anruf bei Sebastian Wild trägt gleich Früchte. Wir vereinbaren einen Interviewtermin am Priester- und Diakonentag in Passau. Auf Empfehlung von Sebastian Wild kontaktiere ich zusätzlich Studentenpfarrer Andreas Erndl (44) und Thomas Steinberger (38), Priester in Emmerting und ebenfalls Geistlicher Beirat der DJK Emmerting. “Die sind genauso sportbegeistert wie ich”, ruft er mir zu. Beide haben Zeit für und Lust auf ein Treffen, denn das Thema interessiert sie. Nach einem kurzen Fototermin am Domplatz bei Kaiserwetter und frühlingshaften Temperaturen geht’s hinauf in die DJK-Geschäftsstelle. Die Gesprächsatmosphäre ist fröhlich, ausgelassen und offen. Es gibt aber auch Momente der Nachdenklichkeit, denn unsere Zeit bringt viele Herausforderungen mit sich. Gleich zu Beginn verraten mir die drei “Sportpfarrer”, dass sie schon mehrmals gemeinsam in einer Fußballmannschaft gespielt haben. Auch im Interview spielen sich drei gekonnt die Bälle zu — und geben Einblick in ihr Leben und Wirken als sportliche, gläubige und junge Pfarrer.
Konnte man von einem gelungenen Zusammenspiel sprechen, als ihr drei bei den Klerus Meisterschaften im Fußball gemeinsam am Ball gewesen seid?
Erndl: “Wir haben uns gut geschlagen. Sebastian war der beinharte Verteidiger und Abräumer, Thomas der Vollstrecker mit dem strammsten Schuss und ich bin im Mittelfeld dafür zuständig gewesen, den Gegner mit meinen Läufen zu verwirren (lacht).”
Welcher Sport hat es euch denn besonders angetan?
Andreas Erndl: “Ballsportarten wie Basketball, Beachvolleyball, Fußball… Gib mir einen Ball und ich bin glücklich! Ich muss dazu sagen, dass ich früher nicht der allersportlichste war und im Grundschulalter ein wenig korpulent gewesen bin. Ich habe durch Joggen abgenommen und bin dann beim Basketballverein in Osterhofen gelandet, wo ich selbst gespielt habe aber auch als Trainer tätig war. Ich erinnere mich gerne an die Zeit zurück, weil wir nach dem Training öfters Schafkopf gespielt haben und einfach eine schöne Gemeinschaft hatten. Heute gehe ich viel Schwimmen, Laufen, Radfahren und Skaten. Für eine Vereinstätigkeit bleibt mir aufgrund meines Berufs aber leider keine Zeit mehr.”
Thomas Steinberger: “Ich war immer begeisterter Vereinsfußballer, auch noch während meines Theologiestudiums. Erst beim FC Perach, dann beim SV Erlbach. Im Priesterseminar haben wir jede Woche mindestens einmal gekickt. Jetzt spiele ich bei den Alten Herren der DJK Emmerting, aber nur unregelmäßig. Mit den Ministranten spielen wir auch einmal pro Woche. Früher bin ich ihnen immer davongelaufen. Aber damit ist es inzwischen vorbei (lacht).”
Wild: “Ich bin auch Fußballer und als solcher ein echtes DJK-Urgestein. Mit sechs Jahren habe ich als Fußballer bei DJK Reichenberg angefangen; später, in meiner Kaplanszeit in Grafenau, war ich bei der DJK St. Oswald am Ball. In der Winterpause haben damals 17 Leute den Verein verlassen und weil der Verein sonst keine Mannschaft mehr hätte stellen können, musste ich als Geistlicher Beirat einspringen. Auch an meinem nächsten Dienstort war ein DJK-Verein ansässig, der DJK-SC Sandbach. Heute schnüre ich meine Stiefel für die Reserve der DJK Pörndorf bei Aldersbach.”
Warum macht ihr gerne Sport?
Steinberger: “Ich gehe gerne zum Fußball, weil ich mich auspowern kann. Unser Beruf bringt es ja mit sich, dass man irgendwie ständig im Dienst ist. Da hilft es, wenn man am Platz ein wenig abschalten kann.”
Wild: “Ich sehe das ähnlich wie Thomas. Ich schätze den Fußball deswegen so sehr, weil die eineinhalb Stunden nur mir gehören und ich den Kopf frei bekomme. Und Hand aufs Herz: Man muss als Pfarrer auch irgendwann mal etwas Anderes machen, als reden, sitzen und Kuchen essen… (lacht)”
Erndl: “Wenn ich fünf Wörter nennen müsste, die in meinem Leben wichtig sind, wären drei davon sicherlich Glaube, Natur und Sport. Bewegung hat für mich eine sehr hohe Priorität. Das ist keine Nebensächlichkeit. Am Sport generell fasziniert mich der Gemeinschaftsaspekt. Gemeinsam etwas erreichen zu können, ist das besonders Schöne. Und mir persönlich hat der Sport immer geholfen, Menschen kennen zu lernen und auch zu anderen Themen ins Gespräch zu kommen.”
Ihr seid Sportler und Seelsorger in Personalunion. Wie oft sind eure Qualitäten als Seelsorger auf oder außerhalb des Platzes gefragt?
Steinberger: “Tatsächlich relativ oft, weil Pfarrer ist man rund um die Uhr. Mein Eindruck ist, dass sich meine Mitspieler darüber freuen, erstens, dass ich überhaupt da bin und zweitens, sie in mir einen kurzen Draht hinein in die Pfarrei haben, gerade wenn es um eine anstehende Tauffeier oder Hochzeit geht.”
Wild: “Den Eindruck kann ich bestätigen. Viele Mitspieler sind froh, wenn sie den offiziellen Weg übers Pfarrbüro nicht gehen müssen.”
Verändert der persönliche Kontakt das ramponierte Image der katholischen Kirche zum Positiven, zumindest im Kleinen?
Wild: “Auf jeden Fall. Das ist eine Form von Gesichtspflege. Man darf bei dem Thema den niederschwelligen Wert in Sachen Kirchenbindung nicht unterschätzen. Spätestens wenn man nach dem Sport die Kabine teilt und miteinander in der Dusche steht, kann man sich über andere Dinge unterhalten und natürlich dann auch über ernste Fragen, die die Situation der Kirche und in Ausnahmefällen auch den Glauben des Einzelnen betreffen.”
Wie nehmt ihr die Rolle des Glaubens in diesen Gesprächen wahr und wie hoch ist die Anteilnahme am Schicksal der Kirche?
Wild: “Der Glaube wird mal stärker, mal schwächer gelebt. Freilich gibt es Vereine, die sind in grauen Vorzeiten der DJK beigetreten und schleifen das DJK-Logo nur noch aus Tradition mit. Aber es gibt auch die, die mit Kopf und Herz und aus voller Überzeugung katholischer Sportverein sind und sich engagieren.”
Steinberger: “Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist an den Vereinen natürlich nicht vorübergegangen. Auch in einem DJK-Verein haben wohl 80 Prozent mit dem kirchlichen Leben wenig bis nichts mehr am Hut; die restlichen 20 Prozent machen Katholiken aus, die ihre Kinder vielleicht noch zur Erstkommunion schicken und dann gibt es noch eine Handvoll, die einen Bezug zur Pfarrei haben, die in den Gottesdienst gehen, die man persönlich kennt. Das ist die Realität, in die wir als junge Pfarrer hineingestellt sind.”
Erndl: “Ich finde es eher schwierig, gewisse Dinge zu verzwecken. Ich gehe ja in den Sportverein in erster Linie um Sport zu treiben. Inwiefern stellt sich die Frage, wie der Brückenschlag zum Glaubensleben des Einzelsportlers oder Ehrenamtlichen in einem solchen Kontext überhaupt möglich ist. Um es überspitzt zu formulieren, wird aus einem Stadionbesucher nicht zwingend ein Kirchenbesucher, auch nicht mit viel gutem Willen. Deswegen sollte man das Engagement der Kirche im Sport nicht rein zweckmäßig sehen, also nur unter dem Aspekt der Mission. Kirche sollte die Ehrenamtlichen in der DJK, in ihrem Dienst an der Gemeinschaft und Gesellschaft bestmöglich unterstützen, vor allem auch seelsorglich.”
Die Vereinspastoral obliegt in der DJK bekanntlich den Geistlichen Beiräten. Was darf und kann man von ihnen in dieser Beziehung erwarten?
Steinberger: “Man muss die Rolle eines Vereinspfarrers schon realistisch einschätzen und sie weder über- noch unterbewerten. Natürlich kann ein Pfarrer ein geistliches Wort vor einer Vereinsvorstandssitzung sprechen, das zum Nachdenken anregt oder zu einem kirchlichen Anlass einladen und dafür um Unterstützung bitten. Aber im Großen und Ganzen ist es schwierig, weil die Ehrenamtlichen ja sowieso schon total überlastet sind. Es ist irre, wie viel Zeit und Mühe die Ehrenamtlichen aufwenden — das ist für viele fast ein Nebenjob. Wenn ich dann auch noch mit meinen Themen aufschlage, habe ich manchmal das Gefühl, dass ich die Leute damit nerve. Mir geht es zumindest oft so.”
Wild: “Darüber hinaus dürfen wir nicht das Grundproblem vergessen, dass wir viel zu wenig Priester haben. Man ist ja als Priester in vielem Beirat und man kann nicht überall präsent sein. Wenn du als Sportverein Glück hast, hast du einen sportinteressierten Pfarrer oder einen sportlichen Pfarrgemeinderat, der eine charismatische Persönlichkeit ist, der zum Mitmachen begeistert und das Glaubensleben im Sportverein voranbringt. Heutzutage wird man aber nicht mehr in jedem DJK-Verein jemanden finden, der in beidem einen Fuß in der Tür hat: Im Sport, weil es sein Interesse ist und gleichzeitig in der Kirche, weil sie seine Berufung ist.”
Überlastetes Ehrenamt, fehlendes Personal in der Seelsorge, Kirchen- und Glaubenskrise — was muss aus eurer Sicht passieren, dass die Verbindung von Katholischer Kirche und konfessionellen Sportvereinen im Bistum Passau überhaupt fortexistieren kann?
Steinberger: “Die geistlichen Beiräte, die guten Willens sind und denen etwas an den Vereinen liegt, müssen definitiv besser auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Es wäre gut, wenn wir gemeinsam überlegen, was wir vor Ort anstoßen können oder erfahren, was anderswo schon gut funktioniert hat. Vor Ort müssen die Strukturen gestärkt werden — dazu gehören ausdrücklich auch auch die katholischen Sportvereine.”
Wild: “Grundsätzlich sollte es eine einheitliche Linie geben, wenn es um die Sportpastoral im Bistum geht. Die DJK steht für ein christlich-wertorientiertes Sportverständnis — aber was heißt das konkret und wie übersetzen wir das in konkretes Vereins- und Verbandshandeln? Ich denke, dass ein solches Treffen, wie es Thomas anspricht, wirklich regelmäßig stattfinden sollte und nicht zur Leitfäden verschickt werden sollten, weil Papier ist geduldig… Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als einen Feldversuch zu starten, gemeinsam Dinge auszuprobieren und auf breite Wirkung zu hoffen.
Erndl: “Natürlich soll der Geistliche Beirat den christlichen Gedanken auch weiterhin in den Sportverein einbringen, sozusagen als Impulsgeber und Delegierter einer Zielsetzung der Katholischen Kirche. Aber man muss das Thema auch neu denken, und zwar von unten her. Die Sportvereine müssen sich selbst überlegen, was das DJK-Logo für sie bedeutet und was es bedeutet, dass Jesus Christus unsere gemeinsame Mitte ist. Das ist für mich der Knackpunkt. Mit Druck wird man nichts erreichen. Wenn sich die Vereine selbst auf den Weg machen und selbst entwickeln, was ihnen über den Sport hinaus noch wichtig ist, wird das Gesamtergebnis erfolgreicher und nachhaltiger sein.”
Wild: “Da bin ich ganz bei Sebastian. Wenn der christliche Glaube im Verein wachsen soll, darf das keine One-Man-Show des Geistlichen Beirats sein, der sagt: so machen wir es. Das geht nur in Zusammenarbeit mit der Vorstandschaft und dem Gesamtverein. Die Frage ist, wie Jesus Christus bei uns im Verein Gestalt annehmen kann. Dieser Frage sollte man sich auch auf Diözesanverbandsebene widmen und idealerweise Multiplikatoren in die Vereine entsenden, die mit den Vereinen arbeiten. Dann ist jeder Verein selbst am Zug.”
Welcher Bereich der Sportpastoral ist aus eurer Sicht besonders wichtig und dringlich?
Wild: “Das was die Kirche leisten muss und auch kann mithilfe der DJK, ist die Grundprägung der Kinder und Jugendlichen. Es geht für mich nicht darum, dass alle erzkatholisch vom Platz gehen, sondern darum, dass sie den Anstand besitzen, sich im Spiel ordentlich zu beharken und nach dem Spiel wieder gut miteinander zu sein und Nächstenliebe praktizieren. Wenn man in die moderne Vereinslandschaft hineinschaut, ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Da gibt es viel Nachholbedarf und Verbesserungspotenzial.”
Steinberger: “Wenn die Vereinsmitglieder im Glauben wachsen, gewinnt der ganze Verein. Über den Glauben zu sprechen ist ja heute oft eine Tabu-Thema, aber ich weiß, dass die allermeisten Menschen eine Religiosität haben und die Religion sinnstiftend für ihr Leben ist. Man muss es also schaffen, dass die Vereine, die geistlichen Beiräte, die Diözesanleitung und die DJK, an einem Strang ziehen und das Kirchliche wieder mehr betonen. Warum veranstalten wir nicht eine Wallfahrt in der Mitte unserer Diözese? Jeder kann kommen, zu Fuß, mit dem Team Bus, mit dem Fahrrad, e‑Bike oder was auch immer. Wir feiern einen großen Gottesdienst, veranstalten Workshops und kommen gemeinsam ins Gespräch. Das wird ein Knaller und ich bin sicher, dass die allermeisten Vereine dieser Einladung folgen würden.
„Mit Gott ist überall zu rechnen, auch im Sportverein. Gott ist in, mit und unter uns. Im Sport begegnet uns Gott nicht mehr und nicht weniger als beim Schlafen, Essen und Trinken. Sport ist ein Geschenk Gottes. Der Sport schenkt Gegenwart. Nicht im Morgen, Gestern oder Übermorgen leben wir im Sport — sondern im hier und jetzt. Das macht ihn so faszinierend für die Menschen. Sport unterbricht unser Hamsterrad auf geheimnisvolle Weise. Er befähigt uns, wirklich da zu sein. Der Sport hat keinen Zweck außer sich selbst. Wir spielen um das Spiel willen. Der Sport ist kein Mittel für “um zu”. Sport ist unproduktiv. Aus den Verlierern werden keine Knechte, aus den Siegern keine Herren. Sport ist überflüssig. Man braucht ihn nicht. Der Sport ist dem Ernst des Daseins entgegengesetzt. Sportlich leben heißt, das Leben spielerisch ernst zu nehmen.”